Zum vierten Mal: BaFin-Abwicklungskonferenz
(BaFinJournal) Bei ihrer Abwicklungskonferenz beantwortete die BaFin Fragen rund um die Abwicklungsplanung für weniger bedeutende Institute. Ein Überblick.
Zum vierten Mal fand am 26. April 2023 die Abwicklungskonferenz der BaFin statt. Eingeladen waren vor allem Vertreterinnen und Vertreter der Branche. Rund 270 Teilnehmende verfolgten die virtuelle Veranstaltung. Auf der Agenda: Was zu tun ist, bevor ein Institut in Schieflage gerät.
In einer Krise stellen sich viele Fragen: Kann das Scheitern des Instituts die Finanzstabilität gefährden? Sollte es liquidiert oder abgewickelt werden? Für einen solchen Fall braucht es Drehbücher, die vorgeben, was zu tun ist. Anders ausgedrückt: Es braucht im Vorfeld eine Abwicklungsplanung. Worauf es dabei ankommt, soll dieser Artikel erklären.
Abwicklungsplanung in der Bankenunion
Seit 2016 arbeiten der einheitliche Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board - SRB) und die nationalen Abwicklungsbehörden wie die BaFin gemeinsam daran, dass Fragen frühzeitig beantwortet werden und die Institute sich besser auf Krisensituationen vorbereiten.
Viele bedeutende Institute (significant institutions – SIs), aber auch einige weniger bedeutende Institute (less significant institutions – LSIs) müssten im Krisenfall abgewickelt werden, weil ihre Insolvenz die Finanzstabilität oder die Realwirtschaft bedrohen könnte. Die BaFin ist als nationale Abwicklungsbehörde für die Abwicklungsplanung von LSIs verantwortlich (siehe Infokasten „Abwicklungsplanung: Wer ist zuständig?“).
Abwicklungsplanung: Wer ist zuständig?
Der einheitliche Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board - SRB) trägt die Verantwortung für die Abwicklungsplanung für bedeutende Institute (significant institutions – SIs) und grenzüberschreitende Gruppen. Die BaFin ist als Abwicklungsbehörde für die übrigen Institute und Gruppen in Deutschland zuständig – die weniger bedeutenden Institute (less significant institutions – LSIs).
Anders als der SRB ist die BaFin bei den LSIs nicht nur für die Abwicklungsplanung von CRR-Kreditinstituten1 verantwortlich. Auch CRR-Wertpapierinstitute, Finanzmarktinfrastrukturen (Financial Market Infrastructures – FMIs) mit Bankerlaubnis und zentrale Gegenparteien (Central Counterparties – CCPs) mit und ohne Bankerlaubnis fallen in ihre Zuständigkeit.
Fußnote:
- 1 CRR-Kreditinstitute erfüllen die Definition gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nr. 1 der EU -Eigenmittelverordnung (Capital Requirements Regulation – CRR).
Wenn ein Institut im Krisenfall fortgeführt und nicht liquidiert werden soll, müssen bereits während der Abwicklungsplanung umfassende Vorbereitungen getroffen werden.
Abwicklung oder Insolvenz?
Zu Beginn der Planungsphase beurteilt die BaFin zunächst, ob eine Liquidation in Frage kommt. Dazu prüft sie, ob eine Insolvenz des betroffenen Institutes die Abwicklungsziele (siehe Infokasten „Abwicklungsziele“) gefährden würde. Hierzu betrachtet die BaFin sowohl institutsspezifische als auch systemweite Szenarien.
Sind die Abwicklungsziele bei einer Liquidation nicht gefährdet, verkürzt sich der Abwicklungsplan entsprechend. Die BaFin prüft dann nur noch, ob die Maßnahmen, die im Rahmen einer Liquidation erforderlich sind, auch durchführbar sind. Dies ist bei fast allen deutschen LSIs (weit über 1.200 Institute) der Fall. Diese Institute werden an der Abwicklungsplanung, wenn überhaupt, nur am Rande beteiligt. Die Proportionalität ist gewahrt.
Abwicklungsziele
- Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen
- Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität
- Schutz öffentlicher Mittel
- Schutz der unter das Einlagensicherungsgesetz fallenden Einlegerinnen und Einleger und unter das Anlegerentschädigungsgesetz fallenden Anlegerinnen und Anleger
- Schutz der Gelder und Vermögenswerte der Kundinnen und Kunden
Für diejenigen LSIs, deren Austritt aus dem Markt z. B. zu einer Gefährdung der Finanzstabilität führen würde, wählt die BaFin eine Abwicklungsstrategie aus.
Eine Abwicklungsstrategie kann aus einem oder mehreren Abwicklungsinstrumenten und Abwicklungsbefugnissen bestehen. Zu den Instrumenten gehören die Gläubigerbeteiligung (Bail-in), die Unternehmensveräußerung (Sale of Business, SoB), die Übertragung auf ein Brückeninstitut (Bridge Institution, BI) und die Übertragung auf eine Vermögenverwaltungsgesellschaft (Asset Management Vehicle, AMV). Abbildung 2 veranschaulicht die grundlegenden Entscheidungen, die bei der Abwicklungsplanung von LSIs getroffen werden müssen.
Abbildung 2: Entscheidungen bei der Abwicklungsplanung für LSIs
Transparente Anforderungen an die Abwicklungsfähigkeit
Damit Abwicklungsinstrumente und -befugnisse im Krisenfall wirksam umgesetzt werden können, erarbeitet die BaFin eine bevorzugte und eine alternative Abwicklungsstrategie. Auf dieser Basis stellen die Institute die Abwicklungsfähigkeit her oder verbessern diese. Hierzu hat die BaFin ihre Anforderungen in Rundschreiben und Merkblättern formuliert (siehe Abbildung 3). Das Rundschreiben MaAbwicklungsfähigkeit bildet den Ausgangspunkt für die Erreichung und Überprüfung der Abwicklungsfähigkeit. Es greift nahezu alle bestehenden Anforderungen auf und gliedert sie in sieben Themenbereiche (Dimensionen), die zur Erreichung der Abwicklungsfähigkeit von Bedeutung sind. Hieraus leiten sich weitere Rundschreiben und Merkblätter ab, die zu einzelnen Aspekten detailliertere Vorgaben enthalten.
Die MaBewertung, deren Novelle die BaFin gerade konsultiert, ist für alle Abwicklungsstrategien relevant, da eine Bewertung Grundlage jeder Abwicklung ist. Um wesentliche Informationen für eine Bewertung innerhalb kürzester Zeit bereitstellen zu können, enthält das Rundschreiben Vorgaben an die Institute, wie sie geeignete Systeme und Prozesse vorhalten müssen. Beinhaltet die Abwicklungsstrategie eine Gläubigerbeteiligung (Bail-in), finden die Institute in den MaBail-in sowie im Merkblatt zur externen Bail-in-Implementierung die wesentlichen Anforderungen hierzu. Für strukturelle Abwicklungsinstrumente wie die Unternehmensveräußerung oder Übertragung auf ein Brückeninstitut bzw. eine Vermögensverwaltungsgesellschaft wird die BaFin ein weiteres Rund-schreiben (MaStrukturelleAbwicklungsinstrumente) veröffentlichen. Dieses soll noch in diesem Jahr öffentlich konsultiert werden.
Abbildung 3: Veröffentlichungen der BaFin zur Abwicklungsplanung
Herstellung und Überprüfung der Abwicklungsfähigkeit als iterativer Prozess
Die Rundschreiben und Merkblätter sind modular aufgebaut und je nach Relevanz zu erfüllen. Das heißt, es gelten nur solche Anforderungen, die für die institutsspezifischen Abwicklungsstrategien relevant sind: Bestehen weder die bevorzugte und noch die alternative Abwicklungsstrategie aus dem Instrument der Gläubigerbeteiligung, so bedarf es zum Beispiel nicht der Vorbereitung eines Reorganisationsplans.
Die Anforderungen sind innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt der Verabschiedung des Abwicklungsplans zu erfüllen, der erstmalig die Anwendung von Abwicklungsinstrumenten vorsieht.
Um sicherzustellen, dass die betroffenen Institute abgewickelt werden können, legt die BaFin für jedes einzelne von ihnen einen Mehrjahresplan fest. Dieser teilt sich in drei Abwicklungsplanungszyklen auf, die jeweils vom 1. April eines Kalenderjahres bis zum 31. März des Folgejahres andauern (siehe Abbildung 4). In diesem Zeitraum arbeiten die Institute daran, die Anforderungen zu erfüllen. Ferner tauschen sich Institute und BaFin laufend über den Fortschritt aus, zum Beispiel in Workshops.
Abbildung 4: Beispiel eines typischen LSI-Abwicklungsplanungszyklus
Beurteilung der Abwicklungsfähigkeit
Zu Beginn der letzten Phase eines Abwicklungsplanungszyklus übermitteln die Institute der BaFin eine Selbsteinschätzung, inwiefern sie die betreffenden Anforderungen erfüllen. Die BaFin beurteilt daraufhin, ob sie ihre Abwicklungsfähigkeit verbessert haben. Für eine einheitliche Darstellung der Beurteilung legt die BaFin je Institut und für jedes Prinzip nach der MaAbwicklungsfähigkeit eine Status-Einstufung fest. Diese wird in einer Heat Map mit einer Farbskala von „grün“ bis „rot“ ausgedrückt. Mit dieser Darstellungsform sind Fortschritte im Zeitverlauf sichtbar und Quervergleiche zu anderen Instituten möglich. Jeder Abwicklungsplanungszyklus endet mit einem schriftlichen Feedback an die Institute. Darin werden Anpassungsbedarfe aufgezeigt und Prioritäten für den folgenden Abwicklungsplanungszyklus gesetzt.
Mit zunehmendem Fortschritt der Institute gemäß ihres Mehrjahresplans intensiviert die BaFin ihre Prüfung. So macht sie sich bei Vor-Ort-Besuchen oder Probeläufen (Dry Runs) ein genaueres Bild darüber, ob zum Beispiel die erforderlichen technisch-organisatorischen Voraussetzungen in den Instituten geschaffen wurden. Spätestens nach Abschluss des Mehrjahresplans überführt die BaFin die Abwicklungsplanung in ein mehrjähriges Testkonzept, um die operative Umsetzung der Abwicklungsstrategien sicherzustellen.
Dabei handelt es sich um einen fortlaufenden Prozess, der dazu beiträgt, die Institute bestmöglich auf den Ernstfall vorzubereiten. Denn Voraussetzung für den Erfolg einer Abwicklung sind ein regelmäßiger Austausch und eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen der BaFin und den Instituten.
Die Abwicklungskonferenz ist ein wichtiger und erfolgreicher Bestandteil dieses Austauschs wie die zahlreichen Fragen der Teilnehmenden auf der diesjährigen Konferenz gezeigt haben.
Verfasst von
Janine Schaaf
Dennis Markefka
Referat ABF 14 – Abwicklungsinstrumente und Steuerung
Hinweis
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Quelle: BaFin 26.04.2023
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