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Rückversicherung in der Lebensversicherung: Im Sinne der Versicherten?

(BaFinJournal) Viele Lebensversicherer nutzen Rückversicherung. Sie glätten so ihre Ergebnisse und schützen sich vor drohenden Verlusten. Ist das ein Nachteil für ihre Kundinnen und Kunden? Bestimmte Verträge bewertet die BaFin kritisch.

Lebensversicherer nutzen Rückversicherungsverträge mit Finanzierungskomponente seit vielen Jahren: Sie bekommen so die erwarteten Erträge vorzeitig ausgezahlt und können Verluste vermeiden. In Zeiten niedriger Zinsen wäre diese Ergebnissteuerung auch durch das Auflösen von Bewertungsreserven möglich gewesen.

Dieser Weg ist nun mitunter versperrt: die gestiegenen Zinsen schmälern die Bewertungsreserven der Unternehmen, die sie in ihren Wertpapierbeständen aufgebaut haben. Teilweise haben sie sich sogar ins Gegenteil verkehrt, und es sind stille Lasten entstanden. Das grenzt den Handlungsspielraum der Versicherer deutlich ein. Gerade aus diesem Grund setzen sie nun Rückversicherungsverträge ein.

Allerdings besteht bei diesen Rückversicherungsverträgen die Gefahr, dass die Belange der Versicherten nicht ausreichend gewahrt werden. Denn die Rückversicherungsprovisionen müssen zurückgezahlt werden. Das schmälert die Überschussbeteiligungen der Kundinnen und Kunden.

Verlustteilung: Strenge Anforderung

Bei der Überschussbeteiligung sind die Versicherten grundsätzlich verursachungsorientiert, zeitnah und angemessen an den entstehenden Gewinnen des Lebensversicherers zu beteiligen. Details regeln die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben und Verordnungen.

Wenn ein Lebensversicherer Verluste macht, muss er diese grundsätzlich mit Eigenkapital abdecken. Nur in eng definierten Ausnahmefällen kann er Mittel aus der RfB heranziehen, um entstehende Verluste auszugleichen – und nur, solange die Belange der Versicherten gewahrt bleiben. Eine entsprechende Entnahme aus der RfB ist daher nur möglich, wenn die BaFin dieser explizit zustimmt. Der Gesetzgeber lässt damit die Verlustbeteiligung der Versicherten bewusst nur sehr eingeschränkt zu.

Die Finanzaufsicht BaFin prüft daher, ob die Schmälerung der Überschussbeteiligung durch die Rückzahlung der Rückversicherungsprovisionen angemessen ist. Die Grundsätze, die sie dabei zugrunde legt, hat sie am 22. Oktober 2020 veröffentlicht. Entscheidend ist, dass die Zuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) und die Überschussbeteiligung der Versicherten nicht unangemessen geschmälert wird (siehe Infokasten).

 

Auf einen Blick:Wie die BaFin vorgegangen ist

Mit der Auslegungsentscheidung zur Auswirkung von passiver Rückversicherung auf die Angemessenheit der Zuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) legt die BaFin die Grundsätze dar, die sie bei der Prüfung derartiger Verträge zugrunde legt:

  • Keine unangemessene Ergebnisverschiebung zwischen Erst- und Rückversicherer.
  • Keine Verschiebungen von Gewinnen zwischen den Ergebnisquellen der Mindestzuführungsverordnung (MindZV) und verschiedenen Beständen.
  • Keine Aushöhlung des vertraglichen Rechts auf Überschussbeteiligung.

Des Weiteren beschäftigt sich die Auslegungsentscheidung mit der Finanzierung und Ergebnisglättung. Die Grundsätze werden in diesem Artikel aufgegrif-fen und teilweise konkretisiert.

 

Bereits im Niedrigzinsumfeld hatten viele Lebensversicherer Rückversicherungsverträge mit Finanzierungskomponente abgeschlossen. Mit der erhaltenen Rückversicherungsprovision stockten sie ihre Zinszusatzreserve auf. Zwar hätten sie hierfür auch ihre Bewertungsreserven nutzen können, die sie aufgrund der niedrigen Marktzinsen in ihren Wertpapierbeständen aufgebaut hatten. Dann hätten sie jedoch in übermäßigem Umfang Wertpapiere verkaufen müssen. Um dies zu vermeiden, schlossen sie einen Rückversicherungsvertrag ab.

In der Zeit niedriger Zinsen konnten die Versicherer im Allgemeinen nachweisen, dass sie die Belange der Versicherten ausreichend wahrten, indem sie mögliche Verschiebungen zwischen den Ergebnisquellen vermieden, einen ausreichenden Risikotransfer betrieben hatten und den Nutzen der Rückversicherungsverträge auch für die Versicherten nachwiesen.

Vorsicht bei Verlustvermeidung durch Rückversicherung

Die Frage, ob Lebensversicherer die Überschussbeteiligung der Versicherten unangemessen schmälern, wenn sie Rückversicherungsverträge mit Finanzierungskomponente abschließen oder ausweiten, stellt sich im aktuellen Zinsumfeld neu.

Bei Rückversicherungsverträgen mit Finanzierungskomponente zur Vermeidung von Verlusten besteht die Gefahr, dass die Überschussbeteiligung der Versicherten unangemessen geschmälert wird. Der Grund: die Versicherten finanzieren meist vollständig oder in großen Teilen die Rückzahlung der erhaltenen Rückversicherungsprovision. Dann könnten durch derartige Verträge Verluste fast unbegrenzt mit den Versicherten geteilt werden. Eine solche Verlustteilung erlaubt der Gesetzgeber über die oben beschriebene Entnahme aus der RfB aber nur in Ausnahmefällen.

Im Ergebnis bedeutet das: Soll die Finanzierungskomponente eines Rückversicherungsvertrags genutzt werden, um einen Verlust zu vermeiden, den der Lebensversicherer nicht anders ausgleichen kann, ist davon auszugehen, dass die Versicherten durch diesen Rückversicherungsvertrag unangemessen benachteiligt werden. In dieser Situation müssen Lebensversicherer auf den Abschluss derartiger Rückversicherungsverträge oder eine Erhöhung der gewährten Rückversicherungsprovision in bestehenden Verträgen verzichten.

Stehen dem Unternehmen grundsätzlich andere Möglichkeiten zu Verfügung, um den drohenden Verlust abzuwenden, muss es – wie bisher – darlegen, dass die Rückversicherung die effizientere Lösung darstellt. Hierbei sind die Belange der Versicherten besonders zu würdigen.

Keine Erhöhung der Risiken

Die vom Rückversicherer gewährte Rückversicherungsprovision wird im Allgemeinen aus den vom Erstversicherer erwarteten Gewinnen in späteren Jahren zurückgezahlt. Lebensversicherer müssen darauf achten, dass es durch die vorgezogenen Erträge zu keinem unangemessenen Anstieg der Risiken kommt. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn die erhaltene Rückversicherungsprovision zu einer Erhöhung der Überschussbeteiligung genutzt wird, die nicht solide finanzierbar ist.

Ebenso muss die risikomindernde Wirkung der Zinszusatzreserve erhalten bleiben. Hierfür sind beispielsweise vertragliche Vorkehrungen zu treffen, die sicherstellen, dass die freiwerdenden Mittel aus dem Abbau der Zinszusatzreserve primär genutzt werden, um die vertraglichen Garantien zu erfüllen. Unproblematisch wäre es auch, wenn die Zinszusatzreserve aufgrund der Übernahme eines originären Garantiezinsrisikos durch den Rückversicherer nicht mehr in vollem Umfang benötigt würde. Verträge, die primär vorsehen, dass die freiwerdende Zinszusatzreserve direkt an den Rückversicherer gezahlt wird, erachtet die BaFin hingegen als kritisch.

 

Verfasst von

Isabell Jäger
Otto Kaiser
Hannah Wesker
VA 24 – Kompetenzreferat Kompetenz Aktuariat Lebensversicherung/Sterbekassen/UPR

 

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

 

Quelle: BaFin vom 05.06.2023

 

 

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