Notfalls mit der Brechstange: Ein BaFin-Mitarbeiter berichtet
Ein zentrales Anliegen der BaFin ist der Kampf gegen illegale Finanzgeschäfte. Dazu rückt die BaFin auch zu Durchsuchungen aus. Die gestalten sich mitunter sehr spannend.
Nur mit Erlaubnis: Bank-, Finanzdienstleistungs-, Investment- und Versicherungsgeschäfte, Zahlungsdienste- und E-Geld-Geschäfte darf in Deutschland nur betreiben, wer eine schriftliche Erlaubnis der BaFin hat. Anbieter, die auf diesem Terrain ohne Erlaubnis unterwegs sind, müssen damit rechnen, dass die BaFin sie verfolgt und zur Rechenschaft zieht. Um Sachverhalte aufzuklären, kann die BaFin Geschäfts- und Wohnräume durchsuchen und Beweismittel sicherstellen. Speziell geschulte Kolleginnen und Kollegen der Abteilung IF sind in der gesamten Bundesrepublik bei Durchsuchungen im Einsatz.
Im Interview mit dem BaFinJournal schildert ein BaFin-Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte, wie eine solche Durchsuchung ablaufen kann, wer daran beteiligt ist und dass manche Durchsuchungen bis in die Nacht andauern können.
Die BaFin kann bei der Ermittlung unerlaubter Geschäfte Geschäfts- und Wohnräume durchsuchen. Was ist der Unterschied zwischen Durchsuchungen und Prüfungen, die ja auch möglich sind?
Prüfungen können wir als BaFin anordnen. Wir führen sie dann entweder selbst durch oder beauftragen die Deutsche Bundesbank. Prüfungen ordnen wir normalerweise an, wenn wir davon ausgehen, dass das Unternehmen kooperiert.
Vermuten wir, dass das Unternehmen nicht kooperiert, ist eine Durchsuchung das Instrument der Wahl. Dafür brauchen wir einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss und können dann Geschäfts- und Privaträume durchsuchen.
Das kennt man aus TV-Krimis: Wir können uns im Zweifel gewaltsam Zutritt zu den Räumlichkeiten der Verdächtigen beschaffen und beispielsweise verschlossene Schränke oder Tresore aufbrechen lassen. Und wir können den Zugang zu IT-Systemen erzwingen. Auch Personen können wir durchsuchen. Bei Gefahr im Verzug kann die BaFin eine Durchsuchung auch ohne richterlichen Beschluss durchführen.
Das heißt: Sie brechen auch schon mal die Türen auf?
Zugegeben, das ist eher selten. Wir klingeln erst einmal ganz klassisch beim Unternehmen oder gehen durch die Eingangstür. Sollte niemand da sein oder öffnen wollen, schauen wir erst einmal nach einem alternativen Eingang. Oder wir versuchen, telefonisch oder über Nachbarinnen und Nachbarn bzw. Hausmeister jemanden zu erreichen, der uns die Tür öffnen kann. Zum Schluss bleibt noch der gute alte Schlüsseldienst, der die Tür öffnen kann. Werden wir durch die Betroffenen am Zugang gehindert, indem sie uns die Türen nicht aufschließen oder diese abschließen, kommt es auch vor, dass wir die Türschlüssel in Gewahrsam nehmen. Und falls die Täterinnen oder Täter gerade dabei sind, Beweismittel zu zerstören, kann auch die Brechstange zum Einsatz kommen. Wir sind auch schon durch Fenster eingestiegen. Eines ist jedenfalls klar: Unverrichteter Dinge ziehen wir nicht ab.
Was sind das für Personen oder Unternehmen, die Sie durchsuchen?
Wir haben ein ziemlich breites Spektrum. Da sind zum Beispiel die, die da eher unbeabsichtigt reinschlittern. Dass sie Geschäfte betreiben, für die sie eine Erlaubnis bräuchten, ist ihnen nicht richtig klar. Wir schreiben sie an, und sie reagieren nicht. Dann gehen wir davon aus, dass sie sich weigern, uns Auskünfte zu geben. Obwohl sie dazu verpflichtet sind. Deshalb suchen wir sie persönlich auf. Diese Personen sind in der Regel so beeindruckt, wenn wir vor ihrer Tür stehen, dass sie von da an kooperieren.
Dann gibt es noch die, die zwar selbst keine unerlaubten Geschäfte betreiben, die aber andere dabei unterstützen – etwa, indem sie ihnen erlauben, ihre Adresse zu nutzen. Auch sie ignorieren unsere Anfragen und sind dann meist völlig überrascht, wenn wir auftauchen. Viele haben von der BaFin noch nie etwas gehört.
Es gibt aber auch alte Bekannte, die wir mittlerweile seit Jahrzehnten kennen. Wir müssen sie immer wieder aufsuchen, weil sie unbelehrbar sind. Beim Online-Betrug oder beim unerlaubten Finanztransfergeschäft sind wir dann manchmal schon im Bereich der organisierten Bandenkriminalität.
Durchsucht die BaFin dann mit eigenen Mitarbeitenden?
Ja, Durchsuchungen führen wir immer mit eigenem Personal durch. Allerdings lassen wir uns dabei von der Landes- oder Bundespolizei begleiten – im Interesse unserer eigenen Sicherheit und auch, weil die Polizei bei Bedarf auch körperliche Gewalt anwenden kann, notfalls auch durch Waffengebrauch. Das dürfen wir nämlich nicht.
Wann greift die Polizei ein?
Zum Beispiel, wenn wir nicht wollen, dass bei einer Durchsuchung eine Person flieht, bevor wir ihre Identität feststellen konnten. Die Polizei kann die Flucht notfalls verhindern.
Sie kann auch eingreifen, wenn es bei der Durchsuchung zu Störungen kommt. Es passiert natürlich häufiger, dass Betroffene mit unserer Anwesenheit nicht einverstanden sind. Dann erläutern wir ihnen ausführlich, warum wir durchsuchen und dass wir das dürfen. Wenn das nicht reicht, erklären wir ihnen, dass die Polizei sie für die Dauer der Durchsuchung auch festsetzen kann. Das bedeutet: Die Polizei bleibt immer in der Nähe der betroffenen Person und hindert sie mit unmittelbarem Zwang daran, die Durchsuchung zu stören. Bis auf ganz wenige Einzelfälle genügt schon die Androhung dieser Maßnahme, und wir können ungestört weiterarbeiten.
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Mit wie vielen Kolleginnen und Kollegen sind Sie vor Ort?
Das hängt in erster Linie von der Größe des Objekts ab, aber auch davon, mit wie vielen Personen im Objekt wir rechnen. In einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung brauchen wir natürlich deutlich weniger Kolleginnen und Kollegen als bei einer großen Büroetage. Ganz grob kann man aber sagen: mindestens zwei BaFin-Mitarbeitende, zwei Einsatzkräfte der Polizei und gegebenenfalls Kolleginnen und Kollegen der Bundesbank. Wenn wir größere Einfamilienhäuser durchsuchen, können es auch doppelt so viele sein, und bei sehr großen Objekten rücken wir in deutlich größerer Zahl an.
Kommt es auch vor, dass Sie mehrere Objekte gleichzeitig durchsuchen?
Das gibt es auch – und dann sind schnell 30 bis 40 Personen beteiligt: von der BaFin, der Bundesbank und der Polizei, eventuell auch von Zoll und Steuerfahndung. Bei den ganz großen Durchsuchungen, die sich zum Beispiel auf eine Vielzahl von Objekten erstrecken, oder wenn wir mit großer Gegenwehr rechnen, hatten wir sogar Einsatzhundertschaften des Bundes und der Länder dabei. Einmal waren über 150 Beamtinnen und Beamte unter unserer Regie im Einsatz. Solche großen Durchsuchungen sind aber selten – und in der Planung und Abstimmung extrem aufwändig. Immerhin muss eine solche Durchsuchung zeitgleich starten, zum Teil auch über Bundeslandgrenzen hinweg. Und natürlich muss alles geheim bleiben.
Wie lange dauert eine Durchsuchung?
Auch das hängt vom Objekt ab. Mit einem kleinen Objekt sind wir auch schon mal in einer Stunde fertig, bei einem großen dauert es natürlich länger. Da können auch mal zehn bis zwölf Stunden draus werden.
Wenn man eine Durchsuchung unterbrechen muss, ist das ein ziemlich großer organisatorischer Aufwand. Wir müssen ja sicherstellen, dass niemand mehr das Objekt betreten kann. Notfalls können wir Objekte aber auch versiegeln. Denn wenn wir erst einmal raus sind und die betroffene Person verschafft sich danach Zutritt, kann man davon ausgehen, dass wir am nächsten Tag nichts Relevantes mehr finden. Daher ist es sicherer, einfach so lange weiterzumachen, bis die Durchsuchung abgeschlossen ist.
Und das ist erst der Fall, wenn alles, was wir mitnehmen wollen, beschriftet, in Listen eingetragen und verpackt ist. Auch das kann ein bis zwei Stunden dauern.
Was genau suchen Sie?
Wir suchen gezielt nach Beweismitteln. Das sind Dinge, die unseren Verdacht untermauern – oder ihn entkräften. Eine Durchsuchung ist also keine Einbahnstraße, und wir haben keine Scheuklappen auf.
Danach durchsuchen wir alle Räumlichkeiten, selbst Küchen und Bäder. In einem Haus zum Beispiel alles vom Keller bis zum Dachboden, alle Außengebäude wie Garagen und Gartenhäuser, aber auch Fahrzeuge und Personen.
Beweismittel: Was bedeutet das konkret?
Zum Beispiel Vertragsunterlagen, Kundenlisten oder –akten, Kontounterlagen, E-Mails usw. Früher waren das dann Berge an Papier. Da konnten auch mal ganz schnell etliche Umzugskartons zusammenkommen. Das hat sich inzwischen geändert, und wir müssen heute versuchen, die notwendigen Informationen auf Servern und Clouds zu sichern.
Finden Sie manchmal auch verbotene Gegenstände jenseits der klassischen Wirtschaftskriminalität?
Ab und zu schon. Wir haben schon alles Mögliche gefunden: zum Beispiel Waffen und Drogen. Und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Solche Dinge übergeben wir dann direkt den anwesenden Einsatzkräften der Polizei, die dann ihrerseits Ermittlungen einleiten.
Wir danken Ihnen für das Interview!
Quelle: BaFin 08.05.2023
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