Coronabedingte Verlängerung eines finanzgerichtlichen Verfahrens
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine Verzögerung beim Sitzungsbetrieb eines Finanzgerichts, die durch den Beginn der Corona-Pandemie verursacht wurde, nicht zur Unangemessenheit der gerichtlichen Verfahrensdauer führt; und damit auch nicht zu Entschädigungsansprüchen.
Bei der Frage der Angemessenheit der Dauer finanzgerichtlicher Verfahren geht der BFH im Regelfall von der Vermutung aus, dass Finanzrichter und Finanzrichterinnen bei einem durchschnittlichen Klageverfahren gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage konsequent auf die Erledigung des Verfahrens hinwirken müssen. Andernfalls kann ein Verfahrensbeteiligter für jeden einzelnen Verzögerungsmonat eine Entschädigung von 100 Euro beanspruchen.
Kein Organisationsverschulden der Justizbehörden
Im Streitfall wurde das Klageverfahren 2 Jahre und 8 Monate nach Klageeingang abgeschlossen. Mit Urteil vom 27.10.2021 (Az. X K 5/20) hat der BFH eine unangemessene Verfahrensdauer allerdings verneint. Die mehrmonatige Verzögerung des Ausgangsverfahrens beruhte auf Einschränkungen des finanzgerichtlichen Sitzungsbetriebs ab März 2020. Diese seien Folge der Corona-Pandemie und der zu ihrer Eindämmung ergriffenen Schutzmaßnahmen. Es handele sich nicht um ein spezifisch die Justiz betreffendes Problem, da andere öffentliche und private Einrichtungen und Betriebe ebenso betroffen gewesen seien. Die Corona-Pandemie sei – jedenfalls zu Beginn – als außergewöhnliches und in der Geschichte der BRD beispielloses Ereignis anzusehen, die weder in ihrem Eintritt noch in ihren Wirkungen vorhersehbar gewesen wäre. Von einem Organisationsverschulden der Justizbehörden im Hinblick auf die Vorsorge für die Aufrechterhaltung einer stets uneingeschränkten Rechtspflege könne daher ebenfalls nicht ausgegangen werden.
(BFH / STB Web)
Artikel vom 19.04.2022